Geschichten aus dem Warteraum der Tierklinik

Hallo und Wuff zusammen!

Das letzte Wochenende war für mich die Hölle, musste ich es doch getrennt von Frauchen in der Tierklinik verbringen, weil es mir nicht gut ging. Gefühlt haben Frauchen und ich die eine Hälfte des Tages in einem der Zimmer mit den Blechtischen verbracht, wo sie mich immer drauf heben, und die andere im Wartezimmer mit den anderen Tieren und ihren Menschen.

Das erste Mal, als wir das Wartezimmer betraten, saß ein alter Herr mit seinem Frauchen da. Er hatte einen Verband um sein vorderes Bein und sein Blick sagte mir, dass es ihm weh tat. Später als wir uns endlich hinsetzen konnten – Frauchen hatte zuvor noch mit der Frau hinter dem großen Tisch gesprochen und uns angemeldet – erzählte sein Frauchen meinem, dass er sich die Teufelskralle abgerissen habe und sie nur noch an einem Fädchen hinge. Ich verstand nur Teufelskralle und wusste sofort, dass die Wolfskralle gemeint war. Mein armer Artgenosse.. aber er musste noch genauso warten wie ich, obwohl er sichtlich Schmerzen hatte.

Ein Mann kam herein mit einem bulligen Labrador in dunkelbraun. Ich schaute nur, wo sie sich hinsetzen würden, blieb aber liegen, weil ich noch zu erschöpft war und Frauchen wollte, dass ich neben ihr liegen blieb. Ich beobachtete also, wie er sich zu dem großen Tisch ziehen ließ und darum kämpfte, wieder hinauszukommen. Sein Herrchen hielt ihn mit aller Gewalt, um die beiden anzumelden und fluchte laut, als auch er noch warten sollte. Er zog meinen Artgenossen zwischen seinen Beinen hinter sich her und setzte sich auf einen Platz, der am anderen Ende des Raums lag, wo bisher niemand saß. Der Labrador schoss unter den Stuhl und versuchte, weiter hindurchzukriechen, immer wieder die Tür im Blick. Ich senkte meinen Kopf, um auf Augenhöhe zu sein und genau sehen zu können, was er da trieb. Er fing an zu scharren, jaulte schließlich unerbittlich. Frauchen war dankbar, als er endlich in einem Zimmer verschwand. Auch da musste man ihn hineinziehen, weil er sich mit allem, was er hatte, dagegen wehrte. Wenig später kam sein Herrchen ohne ihn wieder heraus und meinte: „Er merkt, dass er jetzt ein Mädchen wird. Verständlich, dass er da weglaufen will.“ Frauchen und auch das ältere Frauchen in der Ecke nickten beide. Ich dagegen konnte nicht verstehen, was so schlimm daran sein sollte, ein Mädchen zu sein. Schließlich ging es mir – mit Ausnahme von heute – überaus gut als Mädchen.

Daraufhin kamen hintereinander noch ein Schäferhund mit seinem Herrchen und ein großer weißer Mischling mit seinem Herrchen. Bei beiden das gleiche Spiel. Sie wehrten sich bis zum Umfallen, den linken Raum zu betreten. Auch sie sollten Mädchen werden. Und auch hier kamen die beiden Herrchen mit langen Gesichtern aus dem Raum und verließen die Tierklinik ohne ihren Hund.

Während Frauchen zu sich selbst flüsterte „Bitte lass mich Luna wieder mitnehmen dürfen“, flehte ich nur darum, nicht in den linken Raum zu müssen. Irgendetwas war dahinter, was ihnen Angst machte. Würde ich zu einem Jungen werden, wenn ich als Mädchen dort hineinging, wo doch alle Jungen zu Mädchen wurden, wenn sie wieder herauskamen? Das beschäftigte mich eine ganze Weile, sodass ich einfach nur ruhig da lag und gar nicht mitbekam, wie wir aufgerufen wurden, und daraufhin in das mittlere Zimmer mit dem Blechtisch gingen.

Anderthalb Stunden später hatte ich eine Nadel in meinem rechten Vorderbein, das mit viel Verband umwickelt war, und wir sollten uns wieder in das Wartezimmer setzen, während wir auf die schnellen Blutergebnisse warteten. Der ältere Herr und sein Frauchen waren nicht mehr da, dafür aber ein Mann mit einem kleinen Pincher, eine junge Frau mit einem am ganzen Leib zitternden Chihuahua und eine Frau aus Leder, die einen Korb mit Decken neben sich stehen hatte.

Frauchen und ich setzten uns auf den Platz, den wir vorher auch eingenommen hatten. Den an der Fensterfront neben dem Wassernapf. Ich wollte aber nichts trinken. Die Nadel in meinem Bein tat mir weh und ich wollte mich einfach nur hinlegen. Zwei Ärzte hatten an mir herumgefummelt und mir sogar etwas in den Hintern geschoben. Das war ein merkwürdiges Gefühl! Was die sich wohl davon versprachen?

Ich legte mich also halb unter Frauchens Stuhl und beobachtete die Neuankömmlinge im Wartezimmer. Der Chihuahua zitterte so sehr, dass seine Ohren hin und her wackelten. Ich fragte mich, wovor er sich so fürchtete. Sein Frauchen trug ihn die ganze Zeit in den Händen und hielt ihn an sich gedrückt. Ob sie dachte, dass er fror? Was würde sonst so eine seltsame Reaktion erklären? Er bekam so ja kaum noch Luft.

Plötzlich war da ein lautes Oh-Oh, was ich noch nie zuvor gehört hatte. Es kam aus dem Korb mit den Decken darüber. Die Leder-Frau legte etwas frei und da begann das merkwürdige Spiel. „Guuuuteeeen Moooorgggeeeen!!“, sang sie dem Korb entgegen und unter ihrem Arm hindurch konnte ich erkennen, dass es ein grauer Vogel war. Wieder und wieder sang sie diese Worte und versuchte, mit durchgestrecktem Finger den Kopf zu streicheln. Der komische Vogel gab nur selten seinen Kommentar dazu ab, während sein Frauchen im Singsang mit ihm zu reden versuchte. Frauchen wirkte schon genervt, weil die Leder-Frau keine Pause fand, als sie anfing, den Vogel auch noch anzumeckern. Er solle seine Decke nicht kaputt machen, den Käfig ganz lassen. Durfte er überhaupt etwas? Schließlich war er da drin eingesperrt. Scheinbar reichte es ihm auch und er schnappt zu, als sie ihren Finger ein weiteres Mal hineinsteckte. „Böses Viech!“, beschimpfend rannte sie dann für ein Pflaster zum großen Tisch zu den nun zwei Frauen. Frauchen und ich mussten uns zusammenreißen, nicht sofort loszulachen. Sie begriff einfach nicht, dass die Stimmung, kurz vor dem Besuch beim Tierarzt zu sein, oder noch schlimmer, hier in der Tierklinik, einen nicht gerade zu solchen Spielchen auflegte. Als sie wieder saß, machte sie damit weiter..

Der alte Herr und sein Frauchen kamen aus dem linken Raum und er strahlte über alle Schnurrbarthaare. Scheinbar war der Schmerz weg. Sein Frauchen wünschte meinem noch viel Glück und verließ dann die Klinik, ehe wir wieder hineingerufen wurden. Wieder das mittlere Zimmer.

Darauf folgte dann ein langes Wochenende allein in der Tierklinik. Aber Montag durfte ich endlich wieder zurück! Jetzt habe ich einen rasierten Bauch, zwei rasierte Stellen an den Beinen wegen den Infusionen und muss noch ein paar Tage Tabletten nehmen. Aber ansonsten geht es mir endlich wieder gut :)

Heute steht die Kontrolluntersuchung an. Drückt mir die Daumen und vielleicht schnappe ich dort ja wieder ein paar Geschichten für euch auf!

Wuff und tschüss, bis zum nächsten Mal.

Eure Luna

One Thought on “Geschichten aus dem Warteraum der Tierklinik

  1. Angela on 23. Dezember 2013 at 23:30 said:

    Sarah das ist wirklich schön geschrieben!!!!

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